[DEMONIC-NIGHTS.AT] Iress – Sleep Now, In Reverse

Die ‚Adele des Doom‘ erhebt wieder ihre Stimme. Diesen witzigen wie liebevollen Spitznamen von ihren Kolleg*innen der Musikszene in Los Angeles hat sich Michelle Malley redlich verdient. Als Sängerin von Iress schafft sie es wie nur wenige, ehrliche Emotionen in jede (musikalische) Situation einzubringen. Samt Band ist sie nun, nach zwei Alben und einer EP in Eigenregie, bei den Feinschmeckern von Church Road unter Vertrag. Hier erhält der packende Mix aus Doom, Dark Rock, Shoegaze und Slowcore in Form der neuen Platte „Sleep Now, In Reverse“ die passende, verdiente Bühne.

Im Grunde sagt der Opener „Falling“ bereits so ziemlich alles und bereitet doch nur rudimentär auf das folgende Wechselbad der Gefühle hin. Langsam angeschlagene Instrumente, bleiernes Tempo und dazu die helle, ausdrucksstarke Stimme – die perfekten Zutaten für nahezu unendliche Melancholie, die sich vor allem in den Harmonien einbrennt. Binnen kürzester Zeit erzeugen Iress einen wahren Klangwall mit leichten Variationen, der selbst in einem von Heavyness geprägten Zwischenspiel kaum ausbricht. Das folgende „Ever Under“ wirkt reduzierter und dramatischer zugleich, lässt die sägenden Gitarren bewusst aus den Tiefen des Arrangements kommen, wirkt dadurch kraftvoller und zugleich luftiger.

Derlei Widersprüche setzt es immer wieder, siehe und höre auch „Sanctuary“. So avantgardistisch klingt das US-Quartett nur selten, setzt in der Zweitstimme sogar ein paar Schreie und Growls ein, mit denen die Nähe zu Chelsea Wolfe sogar noch deutlicher ausgelebt wird. Infernale Abfahrten und harmonische Süße zwischendrin liefern sich einen bewusst entschleunigten Zweikampf. Hingegen wirkt „Lovely (Forgive Me Not)“ von der ersten Sekunde an launisch, dockt an 90s-Alternative-Klänge an und lässt zugleich im Unterbau ein nicht näher benanntes Feuer lodern. Hier wird es bald rundgehen, meint man, doch intensivieren Iress letztlich ’nur‘ die Atmosphäre und ringen ihrem Sound ein Mehr an Strahlkraft ab.

Exakt dieses Spiel mit Klangräumen und Erwartungen macht das dritte Album dieser Band so faszinierend. „Sleep Now, In Reverse“ haftet zugleich etwas Vertrautes und doch Widersprüchliches an. Man glaubt zu wissen, wohin die Reise geht, lässt sich aber wiederholt und mit wachsender Begeisterung überraschen. Diese kleinen, überaus feinen Zuckungen, das Spiel mit intensivsten Gefühlen und das tiefe Eintauchen in die Untiefen des Seins, von bittersüßer Melodik und einer wahrlich herausragenden, einzigartigen Stimmung begleitet, schaffen immersiven Hörgenuss der herausragenden Sorte. Iress schütteln eine kleine Schönheit von einem Album aus dem Ärmel, der man sich nicht entziehen kann.

Wertung: 8/10